GEW fordert Digitalpakt 2.0

Die schrittweise Öffnung der Schulen am 4. Mai, bei der ca. 26.000 Schülerinnen und Schüler im Saarland den Unterricht vor Ort wieder aufnehmen, darf nicht vergessen machen, dass viele Kinder und Jugendliche weiterhin nur digital unterrichtet ...

werden. Mittlerweile ist auch klar, dass dies keine kurze Überbrückung darstellt, wie der Zeitraum vom 16. März bis 4. Mai, sondern zumindest in diesem Schuljahr der Dauerzustand sein wird. Allerdings war das Schulsystem schon vor der Corona-Krise nicht gut auf das Online-Lernen und einen flächendeckenden Einsatz digitaler Medien und Tools vorbereitet. „Jetzt rächt sich, dass die Ausstattung der Schulen und Lehrkräfte nur im Schneckentempo in Gang kam“, sagt Birgit Jenni, GEW-Landesvorsitzende, mit Blick auf die Probleme des Online-Unterrichts. Mit welchen Problemen sehen sich die saarländischen Lehrerinnen und Lehrer zurzeit konfrontiert und was läuft gut? Um dies herauszufinden, führte die GEW Saarland Anfang April eine Umfrage durch, an der sich über 500 Lehrerinnen und Lehrer aller Schulformen beteiligten.

Die GEW-Umfrage bestätigt, dass die Kommunikation zwischen Lehrkräften und Schülern überwiegend per E-Mail stattfindet (ca. 70 %). Problematisch ist hierbei, dass erst 60 % der Lehrkräfte über eine dienstliche E-Mail-Adresse verfügen und 97% ihr privates Endgerät benutzen. „Dies löst Datenschutzprobleme aus, die geklärt werden müssen. Wir brauchen aber juristische Sicherheit für alle Lehrerinnen und Lehrer“, betont die Landesvorsitzende der GEW. Ein großer Schritt in die richtige Richtung ist dabei die Einführung der Plattform „ONLINE Schule Saarland“. Lehrkräften werden hier rechts- und datenschutzkonforme Werkzeuge zu Verfügung gestellt, um ihren Unterricht digital zu unterstützen. Die Plattform bietet Datei Cloud, Lernplattform und E-Mailadressen für Lehrkräfte zur dienstlichen Nutzung.

Zwar scheint eine große Mehrheit der Schülerinnen und Schüler über einen Internetzugang und ein Smartphone zu verfügen, jedoch können nur 15 % der Lehrkräfte mit Sicherheit sagen, dass ihre Lernenden bzw. deren Eltern über die notwendige technische Ausstattung zur Bewältigung der Aufgaben verfügen. Ein Smartphone erleichtert zwar die Kommunikation, ist aber oft ungeeignet schulische Arbeitsaufträge umzusetzen, da Lernplattformen nicht immer auf die Benutzung mit Smartphones ausgelegt sind und im Gegensatz zu einem Tablet eine nur unzureichende Bearbeitungsfläche bietet.

30 % der Lehrkräfte gaben an, einigen Schülern die Aufgaben per Briefpost verschicken zu müssen, da bei den Lernenden keine oder nur schlechte digitale Erreichbarkeit gegeben war. Postwege verzögern die Rückmeldung zu erledigten Aufgaben, erschweren Nachfragen und machen den Austausch und das Lernen mit Gleichaltrigen in der (digitalen) Gruppe unmöglich. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Trotz der genannten Hürden, gaben die meisten Befragten an, dass die Kommunikation bei den aktuellen Kontaktformen gut läuft. Genannt wurden hier die Kommunikationswege des Kollegiums untereinander als auch der Austausch zu Eltern und Kindern. Lehrerinnen und Lehrer meldeten, dass viele Schülerinnen und Schüler motivierter sind als sie dachten. Einige Schüler, die selten Hausaufgaben machen, werden aktiver und stellen bei Problemen Nachfragen. Auch positiv anzumerken ist die „Nähe“ zu jedem einzelnen Schüler. Dies ist an Aussagen festzumachen, die die Befragten getätigt haben. Aufgrund von Einzelkontakten per Mail, kann sich der Lernende explizit mit seinem Anliegen an die Lehrperson wenden und diese kann individuell auf dessen Probleme eingehen. Dies ist aber gleichzeitig mit einem hohen Zeitaufwand verbunden. So berichteten die Befragten, dass sie durch die private Erreichbarkeit das Gefühl hatten, ständig erreichbar sein zu müssen - auch nach der „regulären“ Schulzeit.

Welche Schlüsse für eine zukunftsfähige Gestaltung und Weiterentwicklung von Schule und Unterricht können daraus gezogen werden? Ein Tablet wird in Zukunft so normal wie Stift und Heft werden. Damit könnte z. B. im 5. Schuljahr begonnen werden. Das Schreiben von Hand soll dadurch aber nicht ersetzt werden. Über ein mobiles Endgerät könnten auch die Schulbücher gespeichert und somit kostengünstiger werden. Der notwendige Zugang zu einem Breitbandanschluss und damit der Zugang zu Wissen, ist ein wesentlicher Schritt zur Teilhabe an unserer modernen Gesellschaft. Wir brauchen einen Digitalpakt 2.0, damit alle Schülerinnen und Schüler und die Lehrkräfte mit einem mobilen Endgerät und einer Internetverbindung arbeiten können. Ein weiteres Problem ist, dass die meisten Schulen mit zu wenigen IT-Fachkräften ausgestattet sind, die die Schulen dabei unterstützen. Auch in dieser Frage zeigen sich erneut die Versäumnisse der Vergangenheit, die Schulen auf die Arbeit mit digitalen Mitteln gut vorzubereiten. Ein neuer Digitalpakt muss die Investitionen in Fachpersonal erlauben, sonst droht in naher Zukunft ein Millionengrab.

Der aktuelle Beschluss des Koalitionsausschusses im Bund sieht vor, für den digitalen Unterricht zusätzlich 500 Millionen Euro bereit zu stellen. Mit diesem Geld sollen Schülerinnen und Schüler aus ärmeren Haushalten mit 150 Euro für die Anschaffung digitaler Endgeräte unterstützt und die Schulen gefördert werden, um professionelle Online-Angebote zu entwickeln. Die GEW begrüßt grundsätzlich, dass Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwächeren Familien einen Zuschuss für die Anschaffung digitaler Endgeräte bekommen sollen. „Kurzfristig ist das ein richtiger Schritt: Die Tücke liegt jedoch im Detail“, sagt GEW-Landesvorsitzende Birgit Jenni. „Für arme Eltern reicht die Hilfe von rund 150 Euro nicht aus. Wer Sozialhilfe bekommt, kann den Eigenanteil beim Kauf der Tablets oder PCs nicht stemmen – vor allem wenn in den Familien mehrere Schulkinder leben.“ Für diese Haushalte müsse es zusätzliche Unterstützung geben. Jenni schlägt vor, das Geld vor Ort nach Sozialindex zu verteilen. Die Kommune als Schulträger müsse gemeinsam mit den Schulen entscheiden und Vorschläge für geeignete Endgeräte entwickeln. „Die soziale Schere darf durch den Fernunterricht nicht noch weiter auseinandergehen“, mahnt die GEW-Landesvorsitzende.